Institut Kunst

Bachelor

 

Manuel Schneider

«Are You There? It’s Me», «Mac Guffin»
 

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Im Verlauf des letzten Jahres begann ich eine intensive theoretische Auseinandersetzung mit Themen aus den Bereichen Philosophie und Psychoanalyse. Meine Lektüre ist auf die beiden oben erwähnten Felder gerichtet, aber weder streng wissenschaftlich noch strukturiert im Aufbau sondern grössten Teils dilettantisch. Diese Strategie nutze ich zur Schaffung nervöser Unklarheit die wiederum einen fruchtbaren Boden für meine künstlerische Arbeit bildet. Somit sehe ich meine künstlerische Praxis als veräusserlichtes Denken (Materialisierung). Veräusserlichung im Sinne einer Auslagerung und Reifung von Ideen und Gedanken zu Objekten, die ich dann analysiere. Theorie und Praxis bilden in meiner Arbeit einen Kreislauf, dabei soll die theoretische beziehungsweise diskursive Auseinandersetzung in meinen Arbeiten in den Hintergrund treten und auf einer sinnlichen, nicht sprachlichen Ebene erfahrbar werden.

Im Bereich der Psychoanalyse begeistern mich vor allem die kryptischen Theorien Lacans und den Text über das Unheimliche von Sigmund Freud, der mich im Bezug auf die Kunst und meine Wahrnehmung der Wirklichkeit beschäftigt. Die Lektüre Lacans, insbesondere seiner «Écrits», ist geprägt von Unklarheit. Daraus entsteht ein undefinierter diskursiver Raum, der mir für meine künstlerische Auseinandersetzung eine gewisse Freiheit bietet.

Für die Ausstellung Lockeres Denken ist die installative Arbeit Are You There? It’s Me und Mac Guffin, bestehend aus einer Skulptur und einem Video entstanden. Die Idee für den Glaskubus mit den beschlagenen Scheiben und der darauf klebenden Essiggurkenscheibe gründet in einem Erlebnis, dass ich an einem regnerischen Tag in einer Strassenbahn hatte. Das feucht-warme Millieu in der Strassenbahn, das durch die durchnässten Menschen erzeugt wurde und der grosse Temperaturunterschied zu Draussen, liessen die Fenster beschlagen. An einem dieser Fenster klebte eine Essiggurkenscheibe. Dieses Erlebnis nahm einen wichtigen Stellenwert in meiner Beschäftigung mit dem Unheimlichen ein und veranlasste mich zu einer Serie von Arbeiten. Am Unheimlichen interessiert mich die ambivalente Struktur, die sich schon in Freuds etymologischer Herleitung von «unheimlich» äussert. Das Wort heimlich birgt in sich eine Ambivalenz, denn einerseits enthält es das Vertraute und heimische, andererseits das Düstere, das im Versteckten funktionierende. Die Vorsilbe „Un“ verstärkt das ohnehin schon Gegensätzliche des Heimlichen ins Unfassbare – wie beim Möbiusband werden Innen und Aussen, „fort“ oder „da“ ununterscheidbar.

Die weiterführende Recherche führte mich über Freud ins Feld der Psychoanalyse die sich im Video Are You There? It’s Me äussert. Das Video zeigt eine Gesprächssituation, in der keine Personen zu sehen sind. Lediglich der Schnitt suggeriert einen Dialog, der dem Betrachter jedoch keine Information vermittelt. Das Motiv eines Dialogs taucht an verschiedenen Stellen der Installation wieder auf, beispielsweise übermittelt ein Thermostat im Wasserbecken des Glaskastens, die Wassertemperatur an einen Heizungsstab, so dass dieser, je nach Einstellung, das Wasser auf einer bestimmten Temperatur hält und die Scheiben beschlagen bleiben. Auch der Beamer und das projizierte Bild stehen sich gegenüber wie zwei Gesprächspartner.

Die Zusammengehörigkeit dieser beiden Arbeiten Are You There? It’s Me und Mac Guffin in einer Installation, äussert sich bereits im Titel: aneinander gereiht ergeben sie den Satz Are You There? It’s Me, Mac Guffin.

Mac Guffin ist einerseits ein schottischer Name und andererseits ein von Alfred Hitchcock geprägter Begriff, den er selbst wie folgt definiert:

«A MacGuffin you see in most Films about Spys. It is a thing, that spys are after. (…) It is always called «the thing» that the characters on the screen worry about but the audience don’t care. (…) It might be a Scottish name, taken from a story about two men on a train. One man says, «What’s that package up there in the baggage rack?» And the other answers, «Oh, that’s a MacGuffin.» The first one asks, «What’s a MacGuffin?» «Well,» the other man says, «it’s an apparatus for trapping lions in the Scottish Highlands.» The first man says, «But there are no lions in the Scottish Highlands,» and the other one answers, «Well then, that’s no MacGuffin! » So you see that a MacGuffin is actually nothing at all.» «Mr. Hitchcock, wie haben sie das gemacht?» François Truffaut

Die Essiggurkenscheibe übernimmt hier die Funktion eines MacGuffins. Sobald der Besucher sie erfasst und anhand des Saaltextes, des Titels und der Installation zu dechiffrieren versucht hat, nimmt die Story ihren Lauf.

Manuel Schneider
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