HyperWerk

Claus Pfisterer

Erinnerungen
RealVRip – Eine Erinnerungsreise

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Adelboden im Geils, 1989:
Mit 9 Jahren erfand ich eine neue olympische Schneesportdisziplin, nämlich das Schneegumpen. Unmittelbar hinter dem Ferienhaus in Adelboden im Berner Oberland, mittendrin im Skigebiet, befindet sich ein kleiner Hang. Hier tat sich dem internationalen Publikum, der Presse, der Jury und nicht zuletzt den waghalsigen Athleten eine spektakuläre Arena auf. Erstmalig wurde die Disziplin ins Programm der europäischen Weltmeisterschaft aufgenommen. Die Sportler konnten sich lediglich behelfsmässig auf diesen Wettkampf vorbereiten. Mangelns der Möglichkeit, Schnee zuhause aufzutreiben, übten die Sportler mit Trampolin und Kunststoffmatten der Firma E. Sutter aus Fraubrunnen ihre waghalsigen Akrobatiken. Erschwerend hinzu kam die Tatsache, dass die Spitzensportler den endgültigen Parcoursverlauf erst während des Wettkampfs zu Gesicht bekamen. Den Schneegumpern forderte es Höchstleistungen ab, der unbekannten Hindernisse mit spontanen Ausweichmanövern Herr zu werden.

Das Thema Erinnerungen hat mich ganz konkret zu interessieren begonnen, als ich dieses Video entdeckte. Ich fragte bei meinen Eltern nach den Fotoalben meiner Kindheit und verbrachte einen halben Nachmittag damit, in meinen Erinnerungen zu schwelgen. Da wurde mir bewusst, dass es nicht nur meine Erinnerungen sind, die da festgehalten wurden. Es sind auch die Erinnerungen meiner Eltern, meiner Geschwister und überhaupt die Erinnerungen aller, die auf diesen Fotos abgebildet sind. Teilweise sind die Erinnerungen verblasst, andere sind überhaupt nicht mehr da, aber das Zeitdokument macht sie sichtbar und gilt als eiserner Beweis, dass es so war.

Fast dreissig Jahre später, ich beschäftige mich jetzt intensiv mit Virtual Reality und Photogrammetrie1, stehe ich interessanterweise an einem vergleichbaren Ausgangspunkt. Was ich als Neunjähriger erfand und inszenierte, könnte man heute Virtual Reality nennen. Und das was ich heute als 37jähriger für die Virtual Reality programmiere, hängt stark mit meinem Imaginationsvermögen zusammen.
Meine Arbeit handelt von Erinnerungen, und die formulierten Ausgangsfragen lauteten:

Was sind Erinnerungen, und was bedeuten sie? Was, wenn nicht die Wirklichkeit, steht der scheinbaren Wirklichkeit gegenüber?
Die unerschöpfliche Vorstellungskraft von Kindern verwundert mich stets aufs Neue. Jüngst beobachtete ich dies beim Spielen mit meiner fünfjährigen Nichte.
Die Annahme, dass der spielerische Umgang mit Phantasie nur Kindern vorbehalten ist, ist natürlich falsch. Auch als Erwachsene haben wir die Möglichkeit, uns unserer Phantasie hinzugeben und aus ihr das Potential für Gestaltung herauszuziehen. Und dennoch scheint es mir, dass wir Erwachsene uns stets durch äussere und innere Zwänge beschneiden lassen2.
Die Fragen, die sich mir stellten, schnitten fortan immer philosophischer werdende Themenfelder an. Ich merkte, ich würde mich auf ein paar wenige, vielleicht sogar auf bloss eine Frage beschränken müssen.
Die Frage: „Was, wenn nicht die Wirklichkeit, steht der scheinbaren Wirklichkeit gegenüber?“ schien mir interessant und mehrschichtig genug. Sie verleitet aber gerne auch zum Ausufern und Ausfransen, ähnlich meinen photogrammetrischen Aufnahmen und Erinnerungen. Die Frage führte mich letzten Endes aber auch zu einer neuen Frage, die prinzipiell schon als Fazit für sich gilt. Was will ich?
Es geht mir also um Fragen, die gar nicht wirklich beantwortet werden müssen. Es sind Fragen die mich im Prozess begleiten und herausfordern. So ohnmächtig ich über den Fragen grüble, so vital halten sie mich an, stets den Verlauf des Prozesses zu hinterfragen.